So ca. genau vor einem Jahr zu Pfingsten ist das Boot ja angekommen nach einer längeren Überführungstour vom Hafen Bottrop/Essen in die Flevo Marina nach Lelystad. Und auch diesmal konnte ich mir wieder ein wenig Zeit freischaufeln um nach dem Rechten zu schauen und die Zeit an Bord mal wieder genießen zu können. Überhaupt: (Frei-) Zeit und Boot. Zwei Dinge, welche irgendwie nicht zusammenpassen. Das hatte ich mir ja eigentlich alles anders vorgestellt und erst jetzt nach einem Jahr wird mir so richtig bewusst, wie wenig Zeit am Ende dann doch bleibt – nach Abzug aller Arbeitstage auch am Wochenende, nach Abzug der normalen WE Termine, nach Abzug der Frau- und Familienbedürfnisse, und, und, und . . . schon ein wenig enttäuschend. Fester Entschluss: Das muss anders werden 🙂
Um den Pfingststress und Verkehr zu umgehen, um auch für die Familie noch ein wenig da zu sein, hatte ich mir den Sonntag Abend ausgewählt als Anreisetag. Hat auch super geklappt, kurz nach Sonnenuntergang war ich dann an Bord. Wieder alles soweit auf den ersten Blick in Ordnung. Ich bin immer wieder erstaunt, das nach Wochen der Abwesenheit, alles noch so genauso wie beim Verlassen wieder vorzufinden ist. Kein Knöchelhohes Wasser am Boden, kein Schimmel überall, kein Gestank (zumindest in diesem Augenblick nicht . . . ) Selbst die Massen an Tagesfliegenleichen, welche sich sonst die Polster als ihre letzte Ruhestätte gewählt hatten, waren nicht da. Bei der Gelegenheit fällt mir ein, der Ministaubsauger muss dann mal dringend wieder geleert werden 🙂
Der Plan war, den Montag für einen längeren Törn zu nutzen. Ich wollte zu einer recht einsamen Vogelinsel mit Namen „de Kreupel“ segeln.
Dort ist nur ein Naturhafen (im Bild unten rechts), sonst wohl gar nix. Dann übernachten und am Dienstag morgen zurück zum Heimathafen. Ca. 5 Stunden Anfahrt sagte mir mein Boots-Navi. OK, das war der Plan. Die Realität sah dann anders aus. Der letzte Blick am Abend auf die Windrichtung sagte mir Nord West Winde. Klaro, die Insel lag im Nordwesten des Ijsselmeeres, von meinem Standpunkt aus betrachtet. Auch wenn ich immer wieder gelesen hatte, gegenan „anknüppeln“ gegen Wind und Welle, macht man nicht und wählt sich ein anderes Ziel . . . nein, der Frank muss sowas ja ignorieren und sagt sich, ein wenig kreuzen, das geht schon und ruckzuck ist man da. Außerdem war DAS mein Ziel, da kann das Wetter mich doch nicht einfach woanders hinschicken?
Nun gut, am Montag war ich dann auch recht früh auf den Beinen, noch schnell die Katzenwäsche gemacht . . . upps, was riecht denn hier so komisch? Etwa das Wasser? Schnell den zweiten Wasserhahn ausprobiert. Der gleiche Gestank. So eine Mischung aus Gülle und faulen Eiern. Warum? Den Wassertank und die Entkeimungstabletten habe ich jetzt schon seit einem Jahr. Das hatte ich noch nie! Ok, mir bleibt nichts anderes übrig, als den ganzen Tank zu leeren und frisches Wasser einzufüllen. Gesagt – getan. Nur, so ganz frisch scheint das Wasser immer noch nicht zu sein. Ich verstehe es nicht. Da werde ich beim nächsten Mal noch mal alles entleeren müssen und über die Serviceöffnung den Tank inspizieren und von dort aus reinigen. Aber jetzt wollte ich erst mal los. Frisches Wasser habe ich ja auch immer in Flaschen dabei. Das muss reichen. Zwischenzeitlich zogen ganz schön dunkle Wolken auf und es blies mächtig. Soll ich wirklich raus? Welches Vorsegel nehme ich? Nachdem ein Stegnachbar dann an mir vorbei gelaufen ist, mich grüßte und mir einen „schönen Segeltag“ gewünscht hat . . . . . gab es kein Zurück mehr.
Pünktlich zum Auslaufen hat sich dann auch eine Segelclique genau vor meinem Boot festgequatscht. Super. Genau sowas brauche ich dann auch noch als Publikum für meine Ablegemanöver. Aber sie waren recht freundlich, fragten, ob sie mir bei Ablegen helfen könnten. Dankend nahm ich die Hilfe an, das Festmachseil zum Steg landete dann anschließend zwar nicht wie versprochen auf dem Boot, sondern im Wasser . . . aber egal, der hilfsbereite Gedanke zählte 🙂 Mutig, wie ich war, wählte ich diesmal auch direkt die Rückwärtsfahrt aus der Boxengasse, direkt in den Wind rein. Mittlerweile weiß ich, das mein Boot einfach nicht mit der Nase in den Wind drehen will. Deshalb passe ich mich diesem Willen an und bleibe einfach in dieser Position, fahre so raus und drehe dann erst später mit mehr Schwung. Wenn man denn Hafen dann verlässt und auf das „offene“ große Ijsselmeer fährt – dann fühlt man erst den richtigen Wind und die richtige Welle. Puuuh, das war nicht schlecht. Vielleicht hätte ich doch die kleinere Fock wählen sollen? Ich habe leider keine Rollfock, muss diese also vorher auswählen und anschlagen. Auf dem Meer ist es später schwierig bis nicht machbar, dies dann noch zu wechseln. Gut, dann hoch die Lappen, erst das Grosssegel, dann die Fock und ab geht der Ritt. Natürlich ganz hoch am Wind, ich muss ja in diese Richtung. Das war dann aber alles gar kein Spaß. Die Segelfläche war einfach zu groß. Mein Autoruder arbeitet nicht zuverlässig bei diesem starken Wind und dieser Welle, die natürlich auch aus der Windrichtung kommt und damit voll gegenan. „Ritt“ ist das richtige Wort. Oder „Kampf“. Permanent an der Pinne, permanent die Böen abfangen und weiter in den Wind gehen, damit der Segeldruck abnimmt. Die Kränkung (Schräglage) des Bootes ist teilweise angsteinflößend. Wie weit kann ich mich auf die Seite legen mit den drei Tonnen, bis es umkippt? Kann es überhaupt umkippen? Ich bin mir eigentlich sicher, es kann. Oder zumindest den Mast, das Rigg abräumen. Nun gut, nach einer Weile dachte ich mir, zumindest das Grosssegel kann ich doch reffen. Mit dem tollen „Einhandreffsystem“. Wieder ganz in den Wind gesteuert, das Grossfall gefiert, an dem Reffseil gezogen. Dadurch schiebt sich das Grosssegel zusammen und die Segelfläche wird verkleinert. Gezogen, noch ein wenig und schwupp, ein Plöpp, irgendwas ist gerade abgefallen und liegt nun im Schlick des Ijsselmeeres. Ziemlich schnell hatte ich gemerkt, das der Mastrutscher Stopper sich gelöst hat und unter dem Druck des Ziehens herausgerutscht ist. Das bedeutet, wenn ich das Segel weiter herunterlasse, rutscht es komplett aus der Nut des Mastes! Super! Nach den vielen Flüchen und der Zeit des Ärgerns bin ich dann zum Mast hin, habe mit einem Seil den unteren Rutscher fixiert. So konnte zumindest nichts mehr rausrutschen, ich konnte aber auch nicht weiter reffen.
Nach ca. 4 Stunden Fahrt gegen Wind und Welle habe ich dann aufgegeben, zumindest was mein Tagesziel anging. Das war nicht mehr zu schaffen heute. Gegen Wind und Welle dauert es noch Stunden und ich hatte erst einen kleinen Teil der Strecke geschafft. Insgeheim sehnte ich mich doch auch nach meinem Heimathafen und meinem sicheren Steg. Das Wetter war mir heute auch überhaupt nicht geheuer. Immer wieder zogen dicke, schwarze Wolken auf, die immer auch noch mehr Wind mit sich bringen. Es sollte noch nicht sein, zumindest nicht heute und nicht jetzt. Also, kehrt marsch.
Zurück in die Marina. Das war eine gute Entscheidung. Der Vorwindkurs und die schnellen Raumwindkurse brachten mich dann auch zügig wieder zurück. Mein Navi hat mir hinterher gesagt, das meine Höchstgeschwindigkeit auf diesem Rückweg 7,0 Knoten über Grund waren. Meine theoretische Rumpfgeschwindigkeit (das ist eigentlich das Maximale mit diesem Boot) sind 6,5 Knoten. Leider ist mir auf einem dieser Vorwindkurse dann doch auch noch der Grossbaum umgeschlagen. Eigentlich habe ich ja eine Bremse eingebaut, einen sogenannten Bullenstander. Diesen hatte ich aber gerade gelöst, eine Unachtsamkeit an der Pinne, eine hohe Welle und Schwupp sauste das Teil um Haaresbreite über meinen Schädel hinweg. Genau diese Dinge soll und MUSS man als Einhandsegler vermeiden, sollte JEDER Segler vermeiden. Aber vielleicht muss man solche Situationen dann auch immer erst mindestens einmal mitmachen um es zu lernen. Ich danke Gott, das er mir genau diese Köpergröße gegeben hat und nicht noch ein paar Zentimeter draufgepackt hat. Ganz ehrlich.
Insgesamt war ich an diesem Tag (nur) 6 Stunden unterwegs, gerade mal 21 Seemeilen. Mir selbst ist es vorgekommen, wie eine halbe Atlantiküberquerung. Die ganzen blauen Flecken an meinem Körper sind Zeuge.
Mein Gott, was habe ich einen Respekt vor diesen ganzen Langfahrseglern! Wie geht das? Wie machen die das? Und das auch noch alleine.
Unglaublich, da muss ich noch sooooooo viel Erfahrung sammeln. Und komme ich selbst jemals an so einen Punkt?